Siegfried Kracauer
Der Film: JENNYS BUMMEL DURCH DIE MÄNNER - er läuft in der Camera und den Bieberbau-Lichtspielen - will nichts weiter sein als ein Amusement. Die Hauptpersonen sind ein Lehrmädchen, ein Mannequin und die Chefeuse nebst ihrem Familienanhang. Man flirtet im Modehaus selber, man flirtet in Scheveningen und in Spa. Namensverwechslungen und sonstiger Jux, der lustig sein soll, ziehen das Spiel in die Länge; bis es am Ende sicher in den Hafen der Ehe einläuft, die nach den vorangegangenen Erfahrungen allerdings schwerlich ungetrübt sein wird. Gut also, ein leichtes Vergnügen ist den Zuschauern zu gönnen, und wir sind gewiß nicht für lauter schwerbefrachtete Stücke. In diesem aber [hält] man die kleinen Ladenmädchen denn doch für zu naiv. Oder will man ihnen etwa einreden, daß es in großen Modehäusern so heiter ist? Daß sich den weiblichen Angestellten das Paradies öffnet, wenn sie nur einigermaßen hübsche Beine haben? Daß sie in mondänen Hotels wie Fürstinnen leben können und reiche Amerikaner auftauchen, wo sie nur gehen und stehen? Die Gesinnung solcher Filme, die auf hoffnungslose Wunschträume spekulieren, ist durchaus verwerflich. Sie enthalten nicht nur dem Publikum die Wirklichkeit vor, die zu ändern wäre, sondern vertuschen sie überdies, damit nur ja nichts geändert wird. Zu der schlechten sozialen Tendenz gesellt sich in unserem Falle noch die offenkundige Unmoral. Die Tatsache nämlich, daß die Lärvchen aus dem Modehaus sich im Hotel von fremden Herren beschenken lassen, wird als harmloser Usus hingestellt; so daß man den Eindruck erhalten muß, dergleichen sei bei uns Sitte. Angestellte und übrigens auch Chefs sollten sich für diese Lustware bedanken. - Truus van Aalten entfaltet als Lehrmädchen ihre starke Begabung zur Groteske. Freilich ist die Mimik zu dick aufgelegt.
(Quelle: Frankfurter Zeitung vom 8.2.1930, Stadt-Blatt)